Für Athlet:innen, die das ganze Jahr über trainieren, bieten die Wintermonate eine Gelegenheit zum Neustart. Bevor im Frühling wieder die Wettkämpfe losgehen, bleibt Zeit für Erholung und Strategieentwicklung. Für diejenigen, die in kälteren Regionen leben, ist das klassische Training bei kaltem und verschneiten Wetter nicht immer machbar. Kilian Jornet lebt und trainiert in den malerischen Bergen in Romsdalen in Norwegen. Von November bis April legt er eine Pause von langen Laufstrecken ein, um sich hauptsächlich auf Skibergsteigen (auch bekannt als Skitouren) zu konzentrieren, ergänzt durch Eisklettern und Indoor-Training.
Diese Monate der aktiven Erholung sind entscheidend für Kilian, der normalerweise während der warmen Jahreszeiten mehr als 15 Stunden pro Woche im bergigen Gelände läuft. Sich Zeit zu nehmen, um etwas zu tun, das er liebt, und bei den Aktivitäten auch zu variieren, ermöglicht es ihm, sich sowohl körperlich als auch mental zu erholen.
Im Interview mit COROS erzählt Kilian mehr über seine Einstellung zum Cross-Training und teilt mit uns seine Trainingsdaten zwischen den Jahreszeiten. Erfahre, wie auch du von Cross-Training profitieren kannst, um deine Stärke und Fitness aufrechtzuerhalten:
1. Reduziere die Belastung, damit sich dein Körper besser erholt
Das Laufen ist eine Sportart mit hoher Belastung, die Skelett und Muskeln beansprucht. Sportarten mit geringer Belastung, wie Radfahren, Skifahren und Schwimmen, helfen dir deine aerobe Basis aufzubauen, ohne den Körper zu stark zu belasten. Während der Wintermonate verbringt Kilian 5 oder 6 Stunden pro Tag mit Skifahren. Dabei legt er letztendlich mehr Höhenmeter zurück als im Sommer.
Es ist viel einfacher, länger im Bereich 2 auf Skiern zu fahren als zu laufen. Beim Skifahren ist die mechanische Belastung viel geringer als beim Laufen, trotzdem bringt es die Vorteile eines Ausdauertrainings. Beim Laufen ist es schwierig, diese großen Trainingsumfänge Tag für Tag zu bewältigen.
Kilians wöchentliche Trainingsbelastung über mehrere Monate zeigt einen allmählichen Anstieg während der Nebensaison und einen Plateaueffekt in der Hauptsaison.
COROS Education: Deine Trainingsbelastung wird durch Volumen und Intensität beeinflusst. Während Kilian sich während der Hauptsaison auf Intensität konzentriert, legt er während der Nebensaison Wert auf Volumen. Das ermöglicht es ihm, seine Fitness für die bevorstehende Wettkampfsaison weiter aufzubauen.
2. Steigere deine aerobe Kapazität
Ein großer Vorteil des Cross-Trainings ist, dass du über eine viel längere Zeit mit einem geringeren Verletzungsrisiko trainieren kannst. Im Frühling und Sommer verbringt Kilian normalerweise 15 Stunden pro Woche zu Fuß, während er im Winter 25–30 Stunden auf den Skiern verbringt. Laut Kilian ist es ratsam, den Fokus auf den Aufbau deiner aeroben Basis mit Workouts mit niedriger Intensität zu legen, wenn keine Rennen anstehen. Wenn du stattdessen hochintensive Laufeinheiten durchführst und deine Höchstleistung schon Monate im Voraus erreichst, wird dir das nicht bei langfristigen Anpassungen helfen.
Du solltest 6–10 Wochen vor deinem Wettlauf hochintensive Trainings absolvieren, um Spitzenleistungen zu erzielen. Im Winter ist es sinnvoll, an deinem Fettstoffwechsel und Laktatmanagement zu arbeiten, indem du dich auf niedrige Intensitäten konzentrierst.
Während einige Athlet:innen das ganze Jahr über eine gleichmäßige Trainingsbelastung bevorzugen, nutzt Kilian die Wintermonate, um seine anaerobe Kapazität hauptsächlich durch Skibergsteigen und Indoor-Radfahren zu steigern.
Die metabolische Belastung, die du eigentlich leisten könntest, wirst du auf dem Fahrrad oder den Skiern nicht erzeugen können, weil das für die Muskelfaszien zu schwierig ist. Für den Stoffwechsel spielt es keine Rolle, ob du ruderst, läufst oder Ski fährst. Wenn dein Ziel die Fettoxidation ist, ist es nicht notwendig, ein spezifisches Training zu absolvieren.
Kilians Aktivitäten beim Skibergsteigen finden hauptsächlich in Zone 2, der aeroben Ausdauerzone, statt. Das ist eine mäßige Trainingszone, die die Ausdauer fördert. Bei dieser Anstrengung kannst du über eine längere Distanz durchhalten und lernen, dein Tempo zu kontrollieren.
Die COROS-App ermöglicht es dir, deine 6 Herzfrequenzzonen für jede Aktivität zu verfolgen (siehe Kilians „Zeit in Zonen"). Beim Cross-Training über längere Zeit, um die aerobe Ausdauer aufzubauen, versuchst du hauptsächlich in Zone 2 zu bleiben. Du könntest etwas Zeit in Zone 1 verbringen, während du dich aufwärmst oder bergab fährst, und etwas Zeit in Zone 3, wenn du dich bei steileren Anstiegen etwas mehr anstrengst.
- Herzfrequenzzone 1: Erholung. Dieser Bereich entspricht einer geringen Trainingsintensität. Er eignet sich für aktive Erholung, z. B. während Intervallen.
- Herzfrequenzzone 2: Aerobe Ausdauer. In dieser Zone kannst du ein Gespräch führen. Sie eignet sich für grundlegendes Training der kardiovaskulären Funktion, das hauptsächlich die aerobe Kapazität verbessert.
- Herzfrequenzzone 3: Aerobe Leistung. Hier atmest du tiefer und es fällt schwerer, Gespräche zu führen. Diese Zone eignet sich für Marathon-Ausdauertraining und verbessert die Fähigkeit, dein Tempo im Rennen zu kontrollieren.
- Herzfrequenzzone 4: Schwelle. Du atmest schneller, und diese Zone stärkt hauptsächlich die Fähigkeit, Laktat im Körper abzubauen, um das Schwellentempo zu erhöhen.
- Herzfrequenzzone 5: Anaerobe Ausdauer. Geeignet für hochintensives Intervalltraining, das hauptsächlich das VO2max-Niveau verbessert.
- Herzfrequenzzone 6: Anaerobe Leistung. Eignet sich für anaerobes Training, das die anaerobe Kapazität und die muskuläre Ausdauer verbessert.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Training in den niedrigen Intensitätszonen (Zone 1, 2 und 3) zwar deine aerobe Kapazität verbessert, aber deine Fähigkeit verringern wird, dich schnell und kraftvoll zu bewegen. Diese Fähigkeiten erfordern hochintensives Training, um auf hohem Niveau gehalten zu werden. Durch den Aufbau einer starken aeroben Basis und die Steigerung der muskulären Stärke kannst du dich darauf vorbereiten, im Frühling und Sommer intensivere Arbeit zu leisten.
Am Ende des Winters fühlst du dich vermutlich also sehr stark, aber es fehlt dir an Frische und Schnelligkeit. Du hast viel Ausdauer und Kraft in den Muskeln.
Kilian trackt seine Cross-Training-Aktivitäten auf Strava und zeichnet diese mit seiner COROS APEX 2 Pro auf. Seine Skitour-Aktivitäten liegen hauptsächlich in den Herzfrequenzzonen 1 und 2, um seine aerobe Kapazität zu steigern.
3. Bau Muskelkraft für die nächste Laufsaison auf
Für Ultraläufer und Bergläufer wie Kilian sind Geschwindigkeit und Stärke bergab extrem wichtig. Das Bergab-Laufen beansprucht die Oberschenkel und Waden in einer intensiveren exzentrischen Bewegung im Vergleich zum Laufen auf flachem Untergrund. Cross-Training durch Mountainbiken und Skifahren bergab hilft Kilian, seine Oberschenkel zu stärken, ohne laufen zu müssen. Wenn er im Frühling zum Laufen zurückkehrt, sind seine Beine an die schweren exzentrischen Belastungen gewöhnt, ohne zusätzlichen Einfluss auf die Muskelfaszien und Knochen.
„Die gelernten Bewegungsabläufe aus dem Laufen bleiben erhalten, wenn du in die Hauptsaison zurückkehrst", erklärt er.
4. Beuge Verletzungen vor für eine lange Karriere
Beim Cross-Training ist die mechanische Belastung im Vergleich zum Laufen ganz anders. Für Kilian ist seine Entscheidung, mehrere Monate lang eine Laufpause zu machen, nicht nur eine Frage der kurzfristigen Erholung, sondern auch der langfristigen Vorteile, damit er das, was er so liebt, so lange wie möglich weitermachen kann.
Leider hatte Kilian im Sommer 2023 mit Verletzungen zu kämpfen, darunter der Beginn einer Stressfraktur im Kreuzbein und zunehmende Hüftschmerzen. Als Folge musste er sich vom UTMB (Ultra Trail du Mont-Blanc, jährliches Ultramarathon-Rennen) zurückziehen und auf seine Genesung konzentrieren, bis die Schmerzen nachließen. Während seiner Erholung kehrte er zum Cross-Training zurück und konnte sich auf ein neues Projekt vorbereiten: das Verbinden von 177 Gipfeln über 3.000 m in 8 Tagen.
„Im Sommer möchte man größere Belastungen bewältigen, aber dabei muss man vorsichtig sein. Man muss die Erholung entsprechend abstimmen”, sagt Kilian. „Im Winter muss man sich dagegen nicht so viele Gedanken machen.” Im nächsten Sommer will er wieder frisch, vollständig erholt und bereit sein, seinem Körper erneut mehr Belastung zuzumuten. Würde er sein Training im Winter genauso wie im Sommer fortsetzen, wäre das nicht möglich.
Kilians Grundfitness schwankt im Lauf der Jahre zwischen Haupt- und Nebensaisonen aufgrund der geringen und hohen Belastung, die der Sport erfordert. Dies ermöglicht es ihm, sich zu erholen und in der Hauptsaison zusätzlichen Stress auf seinen Körper zu vermeiden.
COROS Education: Die Grundfitness bezieht sich auf die chronische Belastung aus den letzten 6 Wochen des Trainings. Eine Verringerung der Grundfitness während der Nebensaison wird empfohlen, um sicherzustellen, dass du dich gut erholst, bevor du sie während der Hauptsaison wieder aufbaust.
5. Passe dich an natürliche Muster in Klima und Wetter an
Für Kilian war das Laufen schon immer eine Möglichkeit, die Berge zu erkunden und sich mit der Natur zu verbinden. Den Jahreszeiten zu folgen, ermöglicht es ihm, sich an die natürlichen Rhythmen seiner Umgebung anzupassen. Norwegen hat während der dunkelsten Wintermonate nur 5 bis 6 Stunden Sonnenlicht pro Tag.
Wir passen uns dem Rhythmus des Ortes an, an dem wir leben. Ich freue mich auf das Skifahren und darauf, wie der Schnee schmilzt. Das mache ich seit 20 Jahren. Mir gibt das zusätzliche Motivation, um zurückzukehren und in der Laufsaison zu attackieren. Für mich geht es immer darum, mich den Bedingungen anzupassen. Wenn ich im Winter laufen will, muss ich einen Ort finden, an dem es nicht schneit und ich das tun kann. Das kann sich sehr unnatürlich anfühlen. Also denke ich, dass es mental einfach nicht so gut ist im Vergleich dazu, sich an das Klima anzupassen.
6. Gönn dir eine mentale Auszeit, um mit Selbstvertrauen zurückzukehren
Eine der wichtigsten Komponenten des Wettbewerbs ist die Motivation und das Selbstvertrauen, um anzutreten. Ohne mentale Stärke ist es viel schwieriger, sich ernsthaftem Training zu verpflichten. Wenn Kilian im Sommer Wettkämpfe läuft, liegt sein Fokus vollständig auf dem Training und darauf, sicherzustellen, dass er alles tut, um der Beste zu sein. Seine Trainingswochen können erschöpfend sein, aber wenn Kilian sich im Winter erlaubt, eine mentale Auszeit zu nehmen, fühlt er sich deutlich fokussierter, wenn der Frühling kommt.
Bist du in einer positiven Stimmung, wirst du positive Effekte sehen. Bei schlechter Laune verbesserst du dich möglicherweise nicht. Daher ist der mentale Aspekt sehr wichtig. In der Nebensaison musst du zwar auch die Stunden und das Volumen leisten, aber es ist nicht so wichtig, streng nach Plan vorzugehen.
Kilian Jornets COROS-Trainingsdaten nach Jahreszeiten
Je nach Jahreszeit konzentriert sich Kilian darauf, verschiedene Metriken zur Überwachung seiner Fitness zu verwenden. Während der Wintermonate fokussiert er sich auf das Volumen und die Stunden, die er mit Cross-Training verbringt. Er erhöht die Gesamtvertikale, die er beim Cross-Training erhält, während er eine niedrige durchschnittliche Herzfrequenz beibehält. Bei hochintensiven Workouts konzentriert er sich auf die wahrgenommene Anstrengung (RPE, engl.: rate of perceived exertion) und richtet seine längeren Trainingseinheiten auf Technik und Atem-Strategie aus.
Daher umfasst eine typische Trainingswoche für Kilian im Winter eine hohe Volumens- und eine niedrige Intensitätsarbeit. Beide Variablen bilden seine wöchentliche Trainingsbelastung, die Kilian in der Nebensaison progressiv steigert. Dieser langsame Prozess ermöglicht es ihm, Verletzungen vorzubeugen, wenn es an der Zeit ist, die hohe mechanische Belastung des Laufens einzubeziehen.
Ein Beispiel einer typischen Trainingswoche für Kilian während des Winters
Im Sommer hat Kilian dann schon eine solide Grundlage durch das Training im Winter aufgebaut. Sein Körper ist bereit für die Belastung des Laufens. Zur Vorbereitung auf seine Wettkämpfe beginnt er, höhere Intensitätsstufen (Zonen 4, 5 und 6) mit insgesamt kürzerer Dauer einzubauen. Spezifische Fähigkeiten, wie Geschwindigkeit und Kraft, können in relativ kurzer Zeit (6–10 Wochen) verbessert werden.
Eine typische Trainingswoche für Kilian im Sommer umfasst im Vergleich zu den Wintermonaten eine geringere Volumens- und dafür höhere Intensitätsarbeit, wie unten dargestellt. Diese Variablen führen nun zu einer geringeren wöchentlichen Trainingsbelastung, da er die zusätzliche Belastung des Laufens berücksichtigt.
Ein Beispiel einer typischen Trainingswoche für Kilian im Sommer
Ein starkes Comeback im Frühling
Kilian freut sich, den Winter gesund und glücklich mit Cross-Training in Norwegen zu verbringen. Im Frühling kommen dann sein Comeback und neue Wettkämpfe. Sein Ziel ist es, den UTMB zu machen, da er 2023 aufgrund einer Verletzung aussetzen musste. Wir sind schon gespannt, was Kilian sonst noch für 2024 geplant hat, und freuen uns darauf, seine Trainingsdaten und -einblicke – und seine großartigen Leistungen – zu teilen.
Für weitere Einblicke folge Kilians Skitour- und Eiskletter-Abenteuer auf Strava und Instagram.